IFA-Journal 2008-1

IFAJournal 1-2008INHALT der Ausgabe 2008-1

– der 1. informiert

– Sieger und Besiegte beim 22. Jahrestreffen der IGWTB

– Das Wunder von Bremen

– 50 Jahre Trabant – in Bremen

– Oldtema in Erfurt

– Neue Liebe W 311

– Leidenschaft für Wartburg

– 50 Jahre Wartburg 313 S

– (dänischer) Wartburg 313 Testbericht vom Nov. 1956 (ins deutsche übersetzt)

– IFA-Pannenhilfe

– Alte Liebe – 8. Teil

– Nicht alles war schlecht

– Buchvorstellung: 50 Jahre Wartburg Sportwagen

– Barkas-Treffen 2008

– Leserbrief an die Oldtimer-Markt (dort nicht veröffentlicht)

– DDR-Darling (eine weitere Übersetzung aus dem dänischen)

– Probleme der Formgestaltung…

– des „Märktsche“ und einige Kleinigkeiten mehr

Und – last but not least – Wartburg 353 fahren in der wohl offensten Version – und das mit TÜV!

(Es war einmal) Vor Jahren hatte ich mal bei www.mobile.de angefügte Verkaufsanzeige gefunden, ich fand es irgendwie witzig und habe es mal »abgespeichert«:

Wartburg Eigenbau Cabrio
Daten: 39 kW (50 PS),
EZ: 06/69, TÜV: 06/03,
Beschreibung: Wartburg Eigenbau. Basis ist ein 69er Wartburg. Mit Eigenbau Cabrio Karosserie. Eigenbau ist im Brief eingetragen. Das Fahrzeug hat TÜV! Fahrzeug muss noch lackiert werden.

Ein paar Jahre später finde ich dann beim »WartburgPeter« auf der Homepage den folgenden Eintrag:

Marcellus Pillen
Wartburg Umbau 353

 

marc1

Marcellus hat mir Fotos von seinem Umbau Wartburg geschickt. Er erinnert ein wenig an Multicar oder an ein Buggsierfahrzeug vom Flugfeld (m. E. und hat aber auch eine gewisse Ähnlichkeit zum Mini Moke)

Lesen Sie selbst, was er dazu schreibt:

 

Sali,
ich bin der Marcellus und lebe im Wallis/ Schweiz, stamme aber aus der Gegend um Freiburg im Breisgau (und war früher mal ein Mitglied der IGWTB). Die Fotos sind von meinem Eigenbau auf Basis W353 Bj. 69 (stammt wohl eher aus den 80gern)

Im Prinzip eine Kiste mit 2 Sitzen und eine 2te Kiste als Haube. Das Holzdach ist nur als Schutz zum Einlagern im Winter. Ich habe die deutsche Zulassung zuerst und später auch die Schweizer.

Der Aufbau besteht aus 2mm Blech und Vierkantrohr mit 3mm Wandstärke. Das Ganze ist ca. 150 kg leichter als Original und hat einen supertiefen Schwerpunkt. Das Richtige um mit allen 4ren um die Kurven zu rutschen.

Das meiste stammt vom 353
– Lampen vom B1000
– Tank vom Trabi
– Federn hinten Porsche 924 vorn
– sonstige Beleuchtung aus dem Lkw/ Landmaschinenzubehör
– Kotflügel aus dem Anhängerbau.

Das Fahrfeeling ist sehr speziell, da man nur bis zur Hüfte im Auto sitzt und dazu keine Gurte! Trotz eines Cw von ´nem Backstein läuft die Kiste 135 km/h, dann aber in Motorradkluft.

Sonnige Grüße aus dem Wallis
Marcellus

PS wenn einer mit ´nem Ostfahrzeug in der Nähe Probleme hat, soll er sich melden
Tel 0041/ 279241593

Da meine Probleme mit Ostfahrzeug (bisher) nicht in der Nähe von unseren IGWTB-Mitglied Marcellus stattfanden, habe ich ihn zunächst erst mal nicht telefonisch kontaktiert, dafür aber dem WartburgPeter und ihm, in Ergänzung zu den Fotos im lackierten Zustand, meine zwei archivierten, die den Wartburg Eigenbau noch im farblosen Zustand zeigen, zugesandt.

(Die Zeit ging ins Land) Jetzt, wo der Winter (der keiner war, bitte nicht täuschen lassen: der Schnee auf den Bildern ist nicht von diesem Winter) zu Ende geht und die Zeit des Cabriofahrens wieder beginnt, dachte ich mir mal; ruf doch mal den Marcellus an und frag mal freundlich an, was er sich dabei gedacht hat, denn sein Frischluft Wartburg wäre doch auch mal was für das anstehende Frühjahrs-IFA-Journal.

Wir haben dann bestimmt über ’ne Stunde am Telefon gequatscht und Marcellus hat mir wenige Tage später nachfolgendes zur Veröffentlichung zugeschickt:

Sali Michael,
Mein Traum war schon lange ein Auto ähnlich wie ein Messerschmidt Tiger oder einen Monoposti zu haben . Mangels Geld baut man halt selber. Eigenbauten mit Zulassung sind sehr schwierig umzusetzen. Nachdem ich DKW, Wartburg, Barkas und Trabi gefahren bin oder fahre, war mir bald klar, dass ich das Fahrgestell von einem Wartburg verwenden sollte.

Ich habe mal ein kleines Heft vom TÜV Südwest bekommen (mit dem Oldtimer, Amerikaner oder Exoten keine Probleme beim TÜV). Daher wusste ich genau wann welche Sicherheitseinrichtung Pflicht wurde oder wo welche Lampen montiert sein müssen.

Jetzt ging es los: einen Wartburg 353 Bj 1969 vom Freund gekauft, das Fahrgestell hatte schon Scheibenbremse und 12V Drehstromlichtmaschine, also schon modernisiert. Karosserie demontiert und verschrottet. Das nackte Fahrgestell betrachtet und mit der Planung begonnen. Lenksäule mittig setzten gibt sicher Probleme – bleibt wie es wo es ist. Aber 2 Sitze hintereinander sollten es sein – also links! Die Breite der Karosserie ergab sich durch die Form des Rahmens. Jetzt wurde Material gekauft, 2mm Blech und Vierkantrohr mit runden Ecken. Position der Pedale musste erhalten bleiben – schon war die Form des Bodens gegeben. Alles rechteckig, weil es einfacher ist. Zwischendurch immer die Überlegung nicht all zuviel Geld zu »verbauen«, da meine Hoffnung, dafür TÜV zu kriegen, gering war.

Der Fahrersitz ist vom Schrott (VW-Bus), Passagiersitz vom Barkas (stand noch rum ). Die Haube sollte einfach ne Kiste sein, wo alles reinpasst. Die Räder mit angesetzten Kotflügeln abgedeckt. Da ich nicht selber runde Formen bauen wollte und Kotflügel sehr gefährdet sind (Rost, Unfall etc.), habe ich welche aus dem Anhängerbau genommen: Normware, verzinkt, stabil und billig.

Nachdem das Ganze fahrfähig war (Proberunde im Wald) habe ich paar Fotos gemacht und bin zum TÜV. Der Chef dort fand »Es« interessant und meint nur, ich soll fertig bauen (Beleuchtung, Scheibe etc.) und dann wieder vorbeikommen. Ich muss dazu anmerken, dass ich extra einen Wartburg mit genügend Rest-TÜV gekauft habe, um eben Testfahrten machen zu können (was sich als falsch erwiesen hat, denn es war trotzdem die Bullerei hinter mir her – ich schnell abgetaucht und mit dem DKW los. Keiner »konnte« den Herren in Grün Auskunft geben, wirklich nette Nachbarn !!!) Also habe ich fertig gebaut und bin wieder zum TÜV: Riesenschreck – der Chef ist weg!

Und der Neue macht Theater und will mich nicht mehr heim fahren lassen. Zum Glück musste er ans Telefon und ich nichts wie weg. Na ja so ein Scheiß — aber wozu gibt es noch mehr TÜVstellen.

Eine TÜVstelle weiter kannte ich den Chef als Oldtimerliebhaber, aber auch als sehr streng. Ein Versuch – Volltreffer. Mängelliste: Ich musste mit dem Ding auf die Waage (bei der Mülldeponie) und die Anhängerkupplung (Orginal Wartburg gekürzt) sollte ich abbauen, sonst müßte er doch noch rechnen und er dachte laut: »Der Aufbau ist gebaut wie ein Panzer – was soll ich da rechnen« . Eine Bitte hatte er noch, ich soll dem Ding doch etwas Farbe geben und nicht rum erzählen, dass er es geprüft hat. Superklasse! So jemand nenne ich kompetent und fair. Klar ich habe die Vorschriften schon maximal zu meinen Gunsten benutzt, aber Vorschriften gelten für Prüfer und Prüfling.

Jetzt war aber erst mal fahren angesagt; sehr speziell – der Schwerpunkt ist sehr viel tiefer als beim Original und das Fahrwerk deutlich straffer bei 150 kg Untergewicht. Testfahrt auf der Autobahn mit Lederklamotten und Helm – 135 km/h sind sehr schnell, wenn man fast im Freien sitzt.

Kurze Zeit später sind wir ins Wallis/Schweiz gesiedelt. Ich wollte den Wartburg Spezial verkaufen, weil ich nicht glaubte, eine Zulassung zu bekommen. Dann eine ähnliche Geschichte wie in Deutschland: Der Chef der »Motorfahrzeugkontrolle« reagiert äußerst unwillig und will sich wieder melden. Nichts passiert. Ich hatte mittlerweile Farbe auf dem Auto verteilt (feuerrot) . Nach einem halben Jahr habe ich nachgefragt und bekam die Auskunft, dass keine Unterlagen über mein Fahrzeug da sind und keiner was weiß. Ich mit dem Wartburg dahin und des Rätsels Lösung: Der Chef ist in Pension. Der Neue meinte nur wo ist das Problem?

Gutachten aus Deutschland (mit Eintragung im Brief), Umzuggut und uralt. Die Prüfer hatten ihren Spaß, »natürlich« auch weil sie auch keine Verantwortung übernehmen mussten. Man muss dazu sagen, dass es im Wallis nur eine TÜVstelle gibt und man nicht solange wechseln kann, bis man kriegt was man will.

Das ist so ungefähr die Entstehungsgeschichte meines Wartburg Zweisitzers.

Im Wallis regnet es sehr wenig, ich kann also relativ oft fahren. Besonderen Spaß macht es mir auf meiner Hausstrecke, mit Haarnadelkurven, die sogenannten Sportfahrer (GTI etc.) zu ärgern. Das geht so: Zuerst fahren sie dicht auf, um zu gucken was da fährt, dann wollen sie überholen, weil berghoch mit den 50 PS nun mal nicht viel geht. Jedes mal wenn eine Stelle kommt, wo man überholen könnten, gebe ich Gas und lass sie nicht vorbei. Jetzt sind sie richtig heiß und dann kommt eine echte Haarnadelkurve. Wenn ich richtig munter bin, bremse ich sehr, sehr spät und gebe etwas früher als sonst wieder Vollgas ( 2ter Gang und ordentlich Drehzahl). Der Wartburg schmiert jetzt dank dem sehr tiefen Schwerpunkt über alle Viere durch die Kurve und der Sportfahrer hat ziemlich Mühe nicht an der Wand zu landen. Bremsen kreischen und kein Drängeln mehr. Ich weiß; nicht ganz ungefährlich, aber Spaß muss sein (Paola)!

Ich möchte jeden ermuntern, falls er ähnliche Fahrzeugträume hat. Frag mal deine Prüfstelle und such dir einen Wartburg; aber bau vielleicht etwas hübscher als den Meinen.

Grüsse aus dem sonnigen Wallis
Marcellus

Für das IFA-Journal aufbereitet von Michael Kröger